„Ängste unserer Bürger nicht falschen Propheten überlassen“

Seit 50 Jahren: Etwa 400 Philippsburger an Heiligabend auf dem Friedhof

„Angst macht die Menschen abhängig von Verführern. Angst führt zur Tyrannei der Mehrheit, weil alle mit den Wölfen heulen.“ Mit Erkenntnissen des Göttingener Soziologen Heinz Bude richtete Philippsburgs Bürgermeister Stefan Martus den Blick über die Stadtgrenzen hinaus: Angst ermögliche das Spiel mit der schweigenden Masse, weil niemand seine Stimme erhebe. „Wer von Angst geprägt ist, vermeidet das Unangenehme, verleugnet das Wirkliche und verpasst das Mögliche.“

Vom Allgemeinen ging der Rathauschef ins Konkrete: „Gerade in Philippsburg sollten wir die Ängste unserer Bürger nicht falschen Propheten überlassen. Wir dürfen Halbwahrheiten und Verallgemeinerungen nicht einfach stehenlassen. Und wir dürfen nicht zulassen, dass damit Stimmung gemacht wird.“ Mit Nachdruck forderte das Oberhaupt der Stadt mit dem höchsten kreisweiten AfD-Anteil bei der Bundestagswahl dazu auf, „unsere gemeinsamen Werte zu verteidigen: Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Offenheit und Toleranz.“

Traditionell endet an Heiligabend die Adventszeit und zugleich beginnen die weihnachtlichen Feiertage. Seit 50 Jahren versammeln sich die Philippsburger bei Einbruch der Dunkelheit auf dem Friedhof zum Gedenken an die Verstorbenen und zur Einstimmung auf die kommenden Tage. Scheinwerfer hatte die Feuerwehr aufgestellt, um den Platz aufzuhellen. Wenn gut 400 Menschen zusammenkommen, darunter Ex-Bürgermeister Jürgen Schmidt, Beigeordneter Dieter Day und einige Stadträte, dann zeigt dies deutlich, dass die Gepflogenheit unvermindert Zuspruch findet.

Philippsburg praktiziert damit einen Brauch aus dem hohen Norden. Denn in der Heimat des Weihnachtsmannes, in Finnland, ist der Heiligabend besonders den Verstorbenen geweiht. Die Familien gehen gemeinsam auf den Friedhof.

Auffallend war in Philippsburg, dass alle Altersschichten vertreten waren, darunter viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Ihnen allen bot sich ein ungewöhnliches Bild: Ein Meer von Kerzen verwandelte den Friedhof in eine märchenähnliche Landschaft.

Philippsburg pflegt den Heiligabend als Fest der Familie. Dank der Stadtkapelle, die auch bei diesem Anlass mit ihrem Leistungsvermögen imponierte, kam eine ganz besinnliche Stimmung vor dem Gefallenendenkmal mit einem weithin sichtbaren Gedenkfeuer zustande.

Die vielen Weihnachtslieder, etwa 20, taten der Seele gut, besonders gut tat die einkehrende Ruhe nach den stressigen Vorweihnachtstagen. Mancher Besucher schloss die Augen und ließ die bekannten Melodien wirken. Bei „Stille Nacht“ und „Oh du fröhliche“ sangen alle mit.

 (Schmidhuber)

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