Ansprache von Bürgermeister Stefan Martus beim Partnerschaftsabend „50 Jahre Städtepartnerschaft Philippsburg – Île de Ré“
Sehr verehrte Kolleginnen,
sehr geehrte Kollegen,
sehr geehrter Herr Bürgermeister a.D.,
sehr geehrter Herr Präsident des Partnerschaftskomitees, Herr Francois Morin,
liebe Freunde und Mitglieder der Partnerschaft von der Île de Ré und aus Philippsburg,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Gäste,
ich freue mich außerordentlich, heute zusammen mit Ihnen das 50jährige Bestehen der Partnerschaft mit der Île de Ré zu feiern. Herzlichen Dank für die herzliche Begrüßung. Vielen Dank auch für die vielen Mühen, welche mit der Vorbereitung unseres Besuchs und dem tollen Programm hier auf der Île de Ré verbunden waren. Es ist ein ganz besonderes Jubiläum, diese „Goldene Hochzeit“.
Vor 50 Jahren im Jahr 1974 wurde die Partnerschaft durch die damaligen Präsidenten des Partnerschaftskomitees André Brizard und den Bürgermeister von Philippsburg, Fritz Dürrschnabel, begründet.
Beide Gemeinden bekräftigten den Wunsch, die beiden Völker und die unterschiedlichen Länder einander näher zu bringen und diese Partnerschaft mit Leben zu füllen.
Dies geschieht seit dieser Zeit auch mit den jährlichen Begegnungen, zwischendurch auch mit Jugendbegegnungen und seit letztem Jahr wieder mit Begegnungen von Schülern.
Im Jubiläumsjahr gibt es eine Premiere mit Begegnungen von Künstlern. Gestern fand mit französischen und deutschen Künstlern eine Ausstellung im Ernest Cognac Museum in St. Martin auf der Île de Ré statt. Im Oktober wird dann beim Gegenbesuch eine Ausstellung in Philippsburg stattfinden.
Vor drei Wochen war eine Schülergruppe des Copernicus-Gymnasiums Philippsburg mit ihren Lehrern auf der Île de Ré und durfte (erstmalig) eine Rede zum Gedenken an das Kriegsende am 8. Mai 1945 halten.
Eine hervorragende Geste und ein Beispiel, dass die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland nach dem 2. Weltkrieg tolle Früchte trägt und auch von unserer Jugend gelebt wird.
Nach 50 Jahren Partnerschaft ist die Phase des Kennenlernens und Aussöhnens längst vorbei.
Wir tun aber trotzdem gut daran, uns darauf zu besinnen, dass Städtepartnerschaften einen wirksamen Beitrag zur Friedenspolitik leisten.
Partnerschaften lassen Kontakte und Freundschaften zwischen den Menschen entstehen und fördern Verständnis.
Ich bin allen, die damit den Grundstein zu unserer Partnerschaft gelegt und einen wichtigen Trittstein auf dem Weg zur Aussöhnung unserer Völker gelegt haben, zu tiefstem Dank verpflichtet.
Diese Menschen sind Vorbilder für die Gesellschaft, für uns, für mich bis heute! Das müssen wir uns immer vergegenwärtigen.
Aber eine Städtepartnerschaft kann nicht funktionieren, solange sie nur auf dem Papier und auf der Ebene der städtischen Vertreter existiert.
Städtepartnerschaften bedürfen der Beteiligung der Bürger, um sie mit Leben zu füllen. Daher bedanke ich mich ganz herzlich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich in den vergangenen fünf Jahrzehnten ehrenamtlich für die Partnerschaft engagiert und somit zu ihrem Gelingen beigetragen haben.
Ich bin immer beeindruckt, dass viele der Kontakte zwischen den Bürgern von einer großen Kontinuität geprägt sind und über viele Jahre hinweg bestehen und gewachsen sind.
Und deshalb bin ich auch besonders dankbar, dass wir mit einer großen Delegation mit über 100 Teilnehmern auf die Île de Ré kommen durften und konnten.
In den letzten Tagen ist es Ihnen, davon bin ich fest überzeugt, gelungen, uns, Ihren Freunden, ebenso abwechslungsreiche Tage und Stunden auf der Île de Ré zu bieten und unsere Partnerschaft weiter zu vertiefen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
als die Städtepartnerschaft begründet wurde, gab es sicherlich viele Wünsche und Erwartungen, was den gemeinsamen Weg betraf.
Es war das Ziel, sich in einer friedvollen Zukunft zu einer echten und dauerhaften Freundschaft zusammenzufinden.
Ich stelle heute nicht ohne Stolz fest:
Zum Erreichen dieses Ziels haben die Freunde der Partnerschaft Île de Ré und Philippsburg in besonderem Maße beigetragen.
Die heute politisch Verantwortlichen stehen zu dieser Städtepartnerschaft wie ihre Gründungsväter.
Mit unserer Gemeindepartnerschaft befinden wir uns auf dem richtigen Weg, daran gibt es für mich überhaupt keinen Zweifel.
Wir sind über die – auch sprachlichen – Grenzen hinweg Freunde geworden, eine echte Partnerschaftsfamilie.
Ich bitte Sie, liebe Freunde der Partnerschaft, lassen Sie uns – trotz der selbstverständlich zu respektierenden nationalen Eigenheiten – mit einer Stimme sprechen, um den Herausforderungen der Zukunft in Europa und der Welt begegnen zu können.
Frieden, Freiheit, Bildung und Wohlstand in Europa zu sichern, vereint uns in Europa und damit auch mit den Leitlinien der Europäischen Union.
MAHATMA GANDHI, der mit gewaltfreiem Widerstand zur Unabhängigkeit Indiens, der momentan größten Demokratie auf der Erde, wird folgendes Zitat zugeschrieben:
"ES GIBT KEINEN WEG ZUM FRIEDEN, DENN FRIEDEN IST DER WEG."
Die Menschen von der Île de Ré und Philippsburg haben für ihre partnerschaftlichen Beziehungen ihren eigenen Weg zum Frieden, zur echten familiären Freundschaft gefunden und dafür spreche ich Ihnen einen ganz besonderen Dank aus, sowohl persönlich, als auch im Namen des Gemeinderates.
„Auf den Wegen der Freundschaft soll man kein Gras wachsen lassen“.
Diese Weisheit berührt auf eine ganz besonders ansprechende Weise den Kern dessen, was eine wahre und dauerhafte freundschaftliche Beziehung ausmacht.
Über allemüber allem Vergangenem,
über allem Heutigen,
über allem Künftigen in unserer Partnerschaft– gibt es aber eine zusammenfassende
Klammer, die alles umfasst.
Es ist der Wert der Freundschaft an sich –oder wie es unser ehemaliger Bundespräsident Köhler in einer Rede zur deutsch-französischen Freundschaft sagte „dass die
deutsch-französische Freundschaft viel mehr als nur die Summe der gemeinsam verwirklichten Projekte ist, sie ist ein Wert an sich“.
Liebe Freunde der Partnerschaft,
ganz gleich, ob es heißt „Liberté, Égalité, Fraternité oder „Einigkeit und Recht und Freiheit“ – es ist unsere Pflicht, diese Grundsätze zu leben und in die Welt zu tragen.
Ich bin froh, zu spüren, dass unsere Partnerschaft dazu beiträgt. Lassen Sie uns keine Zeit und kein Geld zu schade sein, damit wir das bis in die nächsten Generationen weiterführen.
Denn eine solche Freundschaft ist die Basis für einen dauerhaften Frieden, zwischen unseren Nationen, in Europa, auf unserer Welt!
Die Freundschaft zwischen Gemeinden, Schulen und Vereinen und damit zwischen den Menschen der verschiedenen Nationalitäten war und ist die Basis für fast 80 Jahre Frieden in Zentraleuropa.
Die Spaltung von Europa kann weder der Austritt von Großbritannien aus der EU noch der Überfall von Russland auf die Ukraine schaffen.
Die Einheit der verbleibenden 27 Staaten bleibt bestehen und das ist auch gut so.
Der Trauerstaatsakt für Wolfgang Schäuble wurde vom Bundestag absichtlich auf den 22. Januar, den Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags im Jahr 1963, gelegt, der den Grundstein für die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich darstellt. Mit dieser Geste sollte das Wirken von Wolfgang Schäuble als großer Europäer gewürdigt werden.
Im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes sprach auf ausdrücklichen Wunsch von Wolfgang Schäuble, dem bisher dienstältesten Abgeordneten des deutschen Bundestages, der Staatspräsident der Französischen Republik, Emmanuel Macron.
Macron begann seine Rede auf Deutsch mit folgenden Worten:
„Deutschland hat einen Staatsmann verloren. Europa hat eine Säule verloren. Frankreich hat einen Freund verloren.“
Macron weiter:
„Dieser Wunsch Wolfgang Schäubles, einen Franzosen im Bundestag sprechen zu lassen, sagt viel über sein Vertrauen in unsere beiden Länder. Es sagt aber auch viel über unsere Geschichte und über unsere Zukunft.
Nacheinander hat Europa zwei seiner großen Vordenker verloren, Jacques Delors und Wolfgang Schäuble.
Zwei Staatsmänner, die für ihre Länder und für Europa alles gegeben haben. Zwei Staatsmänner, zwei Leben als Bindeglieder, als Vermittler.
Auf der einen Seite der Enkel eines Schreiners aus dem Schwarzwald, auf der anderen der Enkel eines Landwirts aus dem Massif Central. Zwei Finanzminister, zwei Gründerväter der europäischen Einigung und der Aussöhnung der Völker.
Zwei Männer mit der gleichen intellektuellen Aufrichtigkeit und demselben Verantwortungsbewusstsein.
Sie sind im Abstand einer Nacht von uns gegangen, und unser Herz als Europäer trägt nun zweifache Trauer.“
Dem kann man eigentlich nichts mehr hinzufügen außer die Mahnung, dass es an uns liegt, ständig an diesem gemeinsamen Europa zu arbeiten.
Das unterstreicht der französische Präsident in seiner zweiten europapolitischen Rede am Donnerstag, 25.04.2024 erneut, die mit einer dramatischen Warnung begann. „Unser Europa kann sterben“, sagte er in der Pariser Universität Sorbonne, wo er bereits 2017 seine erste viel beachtete Ansprache zu Europa gehalten hatte.
Die Zukunft des Kontinents hänge von seinen Bewohnerinnen und Bewohnern ab, die eine Entscheidung eine Wahl zu treffen hätten.
„Und diese Wahl wird jetzt getroffen.“ Gemeint war u.a. die Europawahl im Juni 2024.
Liebe Freunde von der Île de Ré,
die 27 europäischen Staaten zusammen sind mehr als die Summe der einzelnen Staaten.
Es ist ein demokratisches Europa dessen Bürger mittlerweile mehr als 79 Jahre Frieden und Freiheit, Wohlstand und Fortschritt erleben dürfen.
Lang lebe unsere Partnerschaft!
Lange lebe die Île de Ré und Philippsburg!
Vive l’Europe!
Nur dadurch, dass Menschen sich näherkommen und der Fremde das Befremdliche verliert, ist ein dauerhafter Friede möglich.
Es ist der Austausch, das beiderseitige Bemühen, das sich einander mitteilen, dass sich kennen- und verstehen lernen, was eine Städtepartnerschaft ausmacht. Das ist heute genauso wichtig, wie damals bei ihrer Gründung.
Europa braucht Europäer.
Deshalb gilt es wie am ersten Tag, an den Partnerschaften, an den Freundschaften und am gemeinsamen Haus Europa weiterzuarbeiten.
Allen, die in den vergangenen fünf Jahrzehnten ihren Beitrag dazu geleistet haben, spreche ich dafür Dank und Anerkennung aus.
Ihr positives Beispiel soll, ja muss uns Ansporn und Ermutigung sein, so zielstrebig wie bisher weiterzumachen. Für ein Leben in Frieden und Freiheit, in Aufgeschlossenheit und Toleranz, für eine gemeinsame europäische Identität.
Heute und in Zukunft werden wir alles daransetzen, die in den Partnerschaftsurkunden unserer Gemeinden genannten Ziele zu verwirklichen, die wir heute nicht ohne Stolz auf das bisher erreichte erneuern und mit Zuversicht auf das Kommende erneuern werden. Personen kommen und gehen, die Partnerschaft zwischen unseren Gemeinden soll für immer bestehen bleiben.
Wir alle sollen und wollen weiter flechten am Band der Freundschaft zwischen unseren Völkern unter dem Dach eines vereinten Europa.
Wir sollten uns davor hüten, uns auf den historischen Erfolgen auszuruhen, und Frieden und Freundschaft in Europa für selbstverständlich zu halten. Das sind sie nicht. Vielmehr ist jeden Tag aufs Neue eine große Anstrengung nötig, um das Erreichte zu bewahren und in der Vertiefung unserer Beziehungen weiter zu kommen.
In diesem Sinne wünsche ich mir, dass die Partnerschaft zwischen der Île de Ré und Philippsburg auch in Zukunft dem Wohle unserer Gemeinden und unserer Bürger dienen wird und weiterhin die deutsch-französische Freundschaft bereichert.
Bevor ich nun uns allen einen schönen, langen und unterhaltsamen Abend wünsche, möchte ich noch auf eine rührende Geschichte unserer Partnerschaft eingehen, die wir auch auf unserem Jubiläumsgeschenk, einem Pylon mit Erläuterungen zur Partnerschaft verewigt haben:
„Zwei Halbschwestern, Töchter eines deutschen Soldaten des Zweiten Weltkrieges, die meines Wissens zu Lebzeiten ihres Vaters nichts voneinander wussten, treffen sich zum ersten Mal durch Vermittlung der Partnerschaftskomitees in Philippsburg.“
Mit diesem Beispiel von lebendiger Partnerschaft:
Es lebe die Deutsch - Französische Freundschaft,
Es lebe die Partnerschaft Île de Ré - Philippsburg.