Aus dem Gemeinderat:

Fünf Castoren mit mittelradioaktiven Abfällen anvisiert

Gemeinderat äußert Bedenken, sieht Gefahren, kritisiert Nichtinformation

Die Verärgerung in Philippsburg ist groß – aus vielerlei Gründen: nicht nur wegen der vorgesehenen Lagerung von fünf Castoren mit mittelradioaktiven Abfällen, die 2019 von Le Hague angefahren werden sollen und wohl auf unbestimmte Zeit auf der Rheinschanzinsel bleiben. Neben „erheblichen Sicherheitsbedenken“ war allem ist die fehlende Transparenz der große Stein des Anstoßes. „Wir als Standortgemeinde mussten alles aus der Presse erfahren“, hieß es gereizt im Gremium: von „Information“ und „Dialog“ – wie versprochen - keine Spur.

Das Gemeinderatsforum nutzten Bürgermeister Stefan Martus und die vier Fraktionssprecher Hans-Gerd Coenen (CDU), Peter Kremer (FW), Jochen Pöschel (SPD) und Ingo Kretschmar (Uli) zu kritischen Grundsatzausführungen, zeigten die aus ihrer Sicht bestehenden „vielfältigen Probleme“ auf, etwa mit der unbestimmten Lagerdauer oder der risikobehafteten Dichtigkeit der Behälter, stimmten schließlich dem Verwaltungsvorschlag zu. Der sah vor, den hauptverantwortlichen Berliner Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth und Jörg Michels als Vorsitzender der EnBW-Geschäftsführung vor den Rat zu laden, um dort Rede und Antwort zu stehen.

Die Vorgeschichte ist relativ kurz: Das Bundesumweltministerium und die EnBW haben, was zusätzlich ärgerte, am Tag nach der Bundestagswahl mit einem gemeinsamen Schreiben die Stadt Philippsburg darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Energieversorgungsunternehmen die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus Frankreich an den Standort Philippsburg (und aus dem Vereinigten Königreich, dort an die Standorte Biblis, Brokdorf und Isar) gemäß einer Vereinbarung von 2015 umsetzen werden.

Zudem hat die EnBW mitgeteilt, dass sie bereits beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit die Einlagerung der voraussichtlich fünf Castorbehälter aus La Hague ins Standortzwischenlager Philippsburg beantragt habe. Für Martus ergibt sich bei dieser Sachlage eine Vielzahl von noch offenen technischen Fragen und ungeklärten sicherheitsrelevanten Aspekten. In dem tonnenschweren Behälter aus Gusseisen und Stahl werden ausgediente Brennstäbe transportiert und über Jahrzehnte zwischengelagert – ohne Aussicht auf eine Endlagerung. Doch wie dicht ist beispielsweise das Deckelsystem?

Ab 2019 soll der Atommüll aus der Wiederaufarbeitung hochradioaktiver Abfälle in Frankreich (La Hague) und England (Sellafield) zurückgeschickt werden. Zur Rücknahme dieser Abfälle sind die Bundesrepublik und die deutschen Kernkraftwerksbetreiber verpflichtet. Doch aus „rein politischen Gründen“ (so Stadtrat Pöschel) ist nicht mehr das „eigentlich bestens geeignete Zwischenlager Gorleben“ das Ziel der Castor-Transporte, sondern vier „Ersatzkommunen“, darunter Philippsburg. Insgesamt muss Deutschland noch 21 Behälter mit hochradioaktiven Glaskokillen aus Großbritannien und fünf Behälter mit mittelradioaktiven Abfällen aus Frankreich unterbringen. Zugedacht sind diese fünf dem KKP Philippsburg.

Die Abfälle aus der französischen Wiederaufarbeitung sind mit Silikatglas vermischt, in zylindrische Behälter aus Edelstahl gegossen und – nach Aushärtung – verschlossen. Vorgesehen ist der Castor-Behälter vom Typ HAW28M. Das Standort-Zwischenlager in Philippsburg verfügt über 152 Stellplätze für Behälter mit verbrauchten Brennelementen. Davon werden jedoch nur so 100 Plätze für die Zwischenlagerung der Brennelemente aus den beiden Kraftwerksblöcken benötigt. Aktuell befinden sich im Zwischenlager 60 beladene Behälter.

(Schmidhuber)

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