Die große Furcht vor ökologischen Flutungen
Sachstand zum Rückhalteraum Elisabethenwört
Große Kluft zwischen Behörde und Bürgern
Wie es da noch zur angestrebten Konsenslösung kommen soll, ist schleierhaft. Und das auch noch bis Ende des Jahres. Zwischen dem Arbeitsauftrag des Regierungspräsidiums und den Menschen in Dettenheim und Philippsburg besteht hinsichtlich des Hochwasserschutzes und des dafür geplanten Rückhalteraums Elisabethenwört eine riesige Kluft.
Hier die Behörde, die „ergebnisoffen“ die nach den Vorschriften optimale Lösung sucht, dort die Bevölkerung und auch die Kommunalpolitiker, für die aus dem Strauß der Möglichkeiten allenfalls „kleiner Polder ohne ökologische Flutung“ infrage kommt. Bei einer gemeinsamen Sitzung der Gemeinderäte Dettenheim und Philippsburg mit Bürgerfragestunde in der mit rund 150 Zuhörern sehr gut besuchten Rußheimer Pfinzhalle wurde einmal mehr klar, dass bezüglich Elisabethenwört ein sehr dickes Brett zu bohren ist.
Die Ausgangslage ist klar. Das Land ist dabei, einen Staatsvertrag mit Frankreich zu erfüllen, der die Wiederherstellung des Hochwasserschutzes am Rhein auf das Niveau vor dem Staustufenbau vorsieht. Ein Teilstück davon: der Rückhalteraum Elisabethenwört, eine unter Naturschutz stehende Insel im Altrhein zwischen Dettenheim und Philippsburg mit Wald und landwirtschaftlichen Flächen.
Im Portfolio der auch in einem Projektbegleitkreis diskutierten Optionen gibt es zwei Grundvarianten: Polder und Dammrückverlegung. Beide gibt es in je drei Ausdehnungen – auf die Insel beschränkt, den Althreinarm miteinschließend sowie eine Variante dazwischen. Abgesehen davon gibt es einen besonderen Streitpunkt.
Ausweislich eines naturschutzfachlichen Gutachtens sind für den Rückhalteraum Elisabethenwört „ökologische Flutungen“ vorzusehen. Das sei keine Idee des Landes als Träger des Vorhabens, machte Ralf Hübner vom Regierungspräsidium Karlsruhe (RP), der zusammen mit Silke Tänzel den Sachstandsbericht gab, bestimmt ein Dutzend Mal deutlich. Denn diese ökologischen Flutungen fürchtet man in Dettenheim und Philippsburg wie der Teufel das Weihwasser. Sie seien des Hochwasserschutzes wegen nicht erforderlich, sie zerstörten die Elisabethenwört und hätten Folgen für die Menschen und ihre Häuser.
So kam es, dass aus Reihen der Gemeinderäte, aber auch später von Bürgerinitiativen sinngemäß gefragt wurde, ob es denn jetzt um Hochwasserschutz oder die Wiederherstellung von Auenlandschaften gehe.
Das hatte eingangs auch Bürgermeisterin Ute Göbelbecker angesprochen. Sie bezog sich auf Äußerungen von Umweltstaatssekretär Baumann, wonach „die Wiederherstellung des Hochwasserschutzes am Oberrhein und die Renaturierung und der Erhalt der Oberrheinauen als gleichrangige Ziele des Integrierten Rheinprogramms in Baden-Württemberg“ zu sehen seien.
Hinzu komme, dass Naturschutzverbände Druck darauf ausübten, „endlich“ eine Dammrückverlegung zu verwirklichen. Hierzu bietet Elisabethenwört die letzte Gelegenheit in Baden-Württemberg. Für Göbelbecker und ihren Philippsburger Kollegen Stefan Martus darf „ein Eingriff in die Natur, in unser Lebensumfeld, nur erfolgen, wenn es tatsächlich und unausweichlich erforderlich ist.“
Die Gemeinderäte kritisierten, dass vor allem nicht berichtet wurde, welche Wirksamkeit die einzelnen Varianten bei Hochwasser hätten. Die RP-Vertreter verwiesen darauf, dass dies im Verlauf des Jahres erfolge und die Ergebnisse in die Beurteilung einflössen. Deren Kriterien stellte Bruno Büchele vor. Sie sind vielfältig, weshalb gefragt wurde, wie sich angesichts der Lage der Termin Jahresende 2017 für eine Variantenentscheidung halten lasse.
Die Fragerunden machten sehr deutlich, wie weit Behörde und Kommunalvertreter voneinander entfernt sind. Da nutzte es auch nichts, dass das RP darauf verwies, dass die Auenentwicklung kein „Mindest-, sondern nur ein Abwägungskriterium“ sei. In dieser Sache sei sogar ein „Dissensvermerk“ erfolgt. Um letztlich doch zu einer konsensualen Lösung zu kommen, betonte Bürgermeister Martus am Schluss, „der kleine Polder ohne ökologische Flutung bietet Chancen auf Akzeptanz“.
(Mit freundlicher Genehmigung der BNN)
Kritik von allen Seiten
Ja, es waren die Philippsburger, die in Dettenheim die Fahne hochhielten und mit Nachdruck ihre Position vertraten. Von den Dettenheimern kamen freundliche Fragen. CDU-Fraktionsvorsitzender Hans-Gerd Coenen und JL-Fraktionschef Ingo Kretschmar lasen den Vertretern des Regierungspräsidiums gehörig die Leviten. Aber auch Peter Haake (SPD) und Klaus Baader (FW) hielten sich nicht zurück und brachten ihren Unmut zum Ausdruck. „Wer will denn diese Auenlandschaft, wer die Sumpfgebiete und wer die Schnakenlöcher?“, so die bissige Frage von Coenen an die Adresse der Auenlandschaftsliebhaber und der ökologischen Flutung.
Unter dem Beifall der Zuhörer stellte er fest: Zu den relevanten Themen sei nichts gesagt worden. „Hier wurde 55 Minuten lang nur etwas übers Verfahren erzählt - und das alles nebulös.“ Unüberhörbare Zustimmung von dem Publikum bekam auch Ingo Kretschmar, der von einer „Pseudoveranstaltung“ sprach und wissen wollte: „Wann berichten Sie endlich etwas Neues?“ Diskutabel sei nur die kleine Variante.
Haake rügte die Aussage des RP, dass die ökologischen Flutungen zwingend seien. Diese Einschätzung könne er nicht nachvollziehen. Es fehlten stichhaltige Argumente. Verärgert zeigte sich Baader: „Was wir heute gehört haben, war nur ein Heruntergeleiere.“
Auch Bürgermeister Stefan Martus fand deutliche Worte. Er appellierte an die Verantwortungsträger, eine Lösung zu suchen, die eine Akzeptanz in der Bevölkerung findet. Ein hochwertiges Naturschutzgebiet dürfe nichts aufs Spiel gesetzt werden.
Vor der Aussprache und den Stellungnahmen der Bürgervertreter hatte es eine Menge an meist schon bekannten Informationen, Schaubildern, Tabellen und Grafiken gegeben, so dass die Zuhörer von der Fülle beinahe erschlagen wurden.
(Schmidhuber)