Erinnerung an die Deportation von 21 Philippsburger Juden
Stadt sieht moralische Verpflichtung/ Schule fertigt Entwürfe für Denkmal
Die Erinnerung daran hat sich bei ihm ein Leben lang eingeprägt: „Am 22. Oktober 1940, um 8 Uhr morgens, bekamen wir die Aufforderung, uns in einer Stunde auf dem Adolf-Hitler-Platz einzufinden. 50 Kilogramm Gepäck durften wir mitnehmen.“ Die Geschehnisse von damals sind bei dem heute 86-jährige Manfred Wildmann so gegenwärtig, als wären sie gestern gewesen. Als er im Sommer 2015 nach 75 Jahren seinen früheren Wohnort Philippsburg aufsuchte, „kam alles wieder auf“.
Zunächst mussten die zum Abtransport freigegebenen Juden im Rathaussaal ihre Pässe vorweisen. „Um 9 Uhr fuhr ein Lastwagen vor, der uns, 21 Philippsburger Juden, ins Camp de Gurs abtransportierte. Um uns herum standen Leute und schauten ganz interessiert der Deportation durch die Gestapo zu. Eine einzige Frau aus der Menge wagte es, zum Abschied meine arme Mutter in den Am zu nehmen“, schildert Wildmann.
Gut 76 Jahre sind es her, 76 Jahre seit der Todesfahrt seiner Eltern, die dann in Auschwitz ums Leben kamen. Weil im Dritten Reich ihrem Antrag auf ein Ausreisevisum nicht stattgegeben worden war, musste die ganze Familie in Nazi-Deutschland zurückbleiben. Nach 1940 fand der kleine Manfred zunächst Unterschlupf bei seiner Schwester in einem Heim in Frankreich, 1947 wanderte der junge Mann nach Amerika aus.
An das schreckliche menschenunwürdige Ereignis soll alsbald ein Denkmal erinnern, das in enger Zusammenarbeit von Stadt, Sparkassen-Denkmalstiftung und Konrad-Adenauer-Realschule entsteht. Für Bürgermeister Stefan Martus ist klar: „Die Stadt muss ihrer moralischen Verpflichtung nachkommen und ein Denkmals setzen.“ In Übereinstimmung mit allen Beteiligten wird jetzt die Idee umgesetzt. Entscheidende Rollen spielen Rektorin Dr. Iris Kreisel, die beiden Kunstlehrerinnen Susanne Dörr und Katja Konrad, vor allem Gisela von Renteln, Geschäftsführerin der Denkmalstiftung, die für die nicht unerheblichen Steinmetz-Kosten aufkommt. Ihr Beweggrund für das Sponsoring: „Ich finde es toll, dass das Thema zusammen mit Jugendlichen aufgearbeitet wird.“
Dort, wo einmal das Wohnhaus des Judenvorstehers stand, mit dessen Geldern später ein „Armenhaus für Betteljuden und arme Christen“ wurde, soll das Mahnmal zu stehen kommen: in der ehemaligen Judengasse, an der Ecke vor der Festhalle. 19 aussagekräftige Entwürfe hat die Schule mit den zwei zehnten Klassen inzwischen ausgearbeitet. So liegen Zeichnungen und Skizzen vor, allerlei Entwürfe und Modelle, Skulpturen und Steine (die in der jüdischen Religion eine große Bedeutung haben) mit Inschriften und Zeichen. Eine Jury sucht aus und trifft die Entscheidung, was beim Steinmetz Rüdiger Scheurer in Oberhausen-Rheinhausen in Auftrag gegeben wird.
Über die Geschichte der Juden in Philippsburg informierte vor Ort der Buchautor Dieter Haas, profunder Kenner der Ortsgeschichte und Ideengeber für das Denkmal. Nach seinen Recherchen existiert 1648 der erste Nachweis für ein Wohnhaus eines jüdischen Bürgers. 1720 lebten bereits 20 Familien in der Reichsfestung. 1938 steckten SA-Leute die Synagoge in Brand. Von den 21 nach Gurs deportierten Personen, zwischen zehn und 80 Jahren alt, starben zehn in Konzentrationslagern. „Es war auch der große Wunsch überlebender Juden, dass in der Stadt Philippsburg den Verschleppungen und Ermordungen auf diese Weise gedacht wird“, lässt Haas wissen.
Zu Beginn des Projekts besuchten die Schüler mit Pfarrer Andreas Riehm-Strammer das Mahnmal in Neckarzimmern. Es erinnert an die Deportation nahezu aller Juden Badens, der Pfalz und des Saarlandes am 22. und 23. Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs im Rahmen der Wagner-Bürckel-Aktion. Es ist bislang die einzige Gedenkstätte zu diesen Ereignissen in Baden.
(Schmidhuber)