Gewürzte Haushaltsverabschiedung

Philippsburg sieht schwarz für die Zukunft

45,7-Mio-Haushalt weist „besorgniserregende Finanzsituation“ auf

Große Betrübnis und Besorgnis kamen in allen Haushaltsreden zum Ausdruck: Wie geht es weiter? Welche ungewisse Zukunft hat die Stadt Philippsburg? Alle vier Fraktionsvorsitzenden malten düstere Bilder von der Finanzsituation, verursacht durch fehlende Gewerbesteuereinnahmen, unvermeidbare Gewerbesteuereinbrüche und drohende Gewerbesteuerrückzahlungen in Millionenhöhe. Im Kernkraftwerk und bei Goodyear gehen zahlreiche Arbeitsplätze verloren, was sich erheblich auf die Wirtschaftskraft auswirke. Philippsburg sieht schwarz.

In diesem schwierigen Kontext forderten alle Sprecher unisono von der Rathausspitze, dass „endlich“ und auch „konsequent“ eine Haushaltskonsolidierung angegangen werden müsse. Wohl wegen der Menge der wichtigen Botschaften fielen die Haushaltsreden diesmal ungewohnt lange aus, bis zu einer halben Stunde pro Beitrag. Nur die CDU hielt sich kurz – und an die Erkenntnis: In der Kürze liegt die Würze, und so gewürzt war die Kost auch. Trotz aller kritischer Betrachtungsweisen verabschiedete das Gremium die Haushaltssatzung einstimmig.

Das Jahr 2017 dürfte als „Trauerjahr“ in die Stadtgeschichte eingehen. Keine Einnahmen wie gewohnt, dafür Ausgaben wie ungewohnt: Die Stadt muss 6,4 Millionen an Gewerbesteuer zurückzahlen, plus 2,8 Millionen an Zinsen. Dank Goodyear und Kernkraftwerk dürften sich die Gewerbesteuereinkünfte mittelfristig auf niedrige 2,5 Millionen jährlich einpendeln. Früher flossen bis zu 18 Millionen in den Stadtsäckel. Immerhin, es noch eine Null-Pro-Kopf-Verschuldung und eine (wenn auch verminderte) Rücklage, die zum Jahresende 2020 gerade noch magere 3,7 Millionen erreichen dürfte.

Mit einem Volumen von 45,7 Millionen Euro überholt der Haushalt 2017 seinen Vorgänger um vier Millionen. Der Verwaltungsteil weist einen Betrag von 34,8 Millionen aus, der Vermögensteil eine Summe von 10,9 Millionen. Mit 8,6 Millionen Euro ist die Zuführungsrate vom Vermögenshaushalt an den Verwaltungshaushalt veranschlagt. Doch dieser Betrag muss gänzlich der Rücklage entnommen werden.

Zu den größten Investitionen 2017 zählen der Ausbau der Straßenbeleuchtung (520.000 Euro), die Beschaffung von Containern für die Flüchtlings-Anschlussunterbringung (425.000 Euro) und Brandschutzmaßnahmen am Gymnasium und an der Realschule (zusammen 230.000 Euro). Was ins Auge sticht: Die Stadt schießt für ihre Betreuungs- und Bildungseinrichtungen, für ihre Kindergärten und Schulen mit jeweils hohem Standard, fast 4,5 Millionen Euro jährlich zu.

(Schmidhuber)

Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden

Hans-Gerd Coenen (CDU)

Nachhaltige Haushaltskonsolidierung

Schon sehr früh habe die CDU eine konsequente nachhaltige Haushaltskonsolidierung gefordert, doch die Verwaltungsspitze sei der Forderung auch 2016 nicht nachgekommen, kritisierte Hans-Gerd Coenen. „Sie reden von der Zukunft, bekommen die Gegenwart nicht bewältigt und suchen die Schuld in der Vergangenheit“, hielt er dem Bürgermeister vor. Dieser habe schon bei der Haushaltsvorberatung den Offenbarungseid leisten müssen. „Notwendige Taten müssten von Ihnen kommen“, betonte der Fraktionschef und sagte „volle Unterstützung der CDU“ für ein „vernünftiges Krisenmanagement“ zu. Eine Haushaltssanierung, die niemand merke und spüre, reiche nicht aus. Seit 2011 lebe die Stadt von der Substanz. Um den Verlust an Arbeitsplätzen und Gewerbesteuer auszugleichen, sei nunmehr das Gewerbegebiet „Schorrenfeld“ in Huttenheim voranzutreiben. Der gemeinsame Kampf habe insbesondere den Überlegungen zu gelten, ortsnahe Windräder aufzustellen, den Polder Elisabethenwört zu bauen und den Rheindamm in Richtung Dorf zurückzuverlegen.

Christopher Moll (FW)

Unvermeidbare Steuererhöhungen

Die aktuelle, aber noch mehr die mittelfristige Finanzplanung sehe ziemlich düster aus, hielt Christopher Moll für die Freien Wähler fest. Es sei höchste Zeit, aufgrund der prekären Situation durch Goodyear endlich Taten walten zu lassen. So müssten jetzt einschneidende Beschlüsse gefasst werden. „Notwendiges vor Wünschenswertem“ laute seine Forderung. Mit Blick auf die kritische Finanz- und Wirtschaftsentwicklung gelte es, künftig wieder in kleineren Dimensionen zu denken und zu handeln. Niemand trage persönliche Schuld an der Misere, doch stehe der Rat im Gesamten in der politischen Verantwortung. Den Gemeinderäten bleibe wohl keine Wahl, als Kürzungen in vielen Bereichen vorzunehmen. „Wir müssen Ausgabenkritik betreiben und auch schmerzhafte Einbußen verkraften“, kündigte der Fraktionsvorsitzende an. Im Klartext: Steuererhöhungen für die Zukunft könnten „definitiv“ nicht mehr ausgeschlossen werden. Den Bürgermeister mahnte er: Seine Informationspolitik habe sich gebessert, sei jedoch „ausbaufähig“.

Joachim Pöschel (SPD)

Ausweisung von Gewerbeflächen

Die Begriffe „Freiheit, Wohlstand und Sicherheit“ wählte Joachim Pöschel als Überschrift für seine Haushaltsrede. Den 24. Oktober 2016 bezeichnete er als „Trauertag für Philippsburg“. Auf einen Schlag sollen rund 900 Mitarbeiter bei Goodyear ihren Arbeitsplatz verlieren. „Das ist skandalös.“ Profitstreben und Gewinnmaximierung seien wohl die einzigen Unternehmensziele. „Jetzt ist die ehemals dreipolige Wirtschaftsstruktur aus Bundeswehr, Atomkraftwerk und Reifenfabrik zusammengebrochen“, stellte der Sozialdemokrat fest. Das Rückgrat der Philippsburger Wirtschaft gebe es nicht mehr. „Wir erleben einen Strukturbruch, vergleichbar mit Städten im Ruhrgebiet.“ Dringend brauche die Stadt die Ausweisung und Erweiterung von Gewerbeflächen mit der Ansiedlung klein- und mittelständischer Betriebe. Für die SPD stelle sich die Finanzlage als „wirklich desaströs und so schlecht wie noch nie“ dar. Die Konsequenz daraus laute: Jede Investition müsse auf ihre Notwendigkeit und ihre Folgekosten überprüft werden.

Ingo Kretschmar (ULi)

Maßvolle Erhöhungen

Der Fraktionschef der Unabhängigen Liste (Uli), Ingo Kretschmar, kritisierte den Beschluss zum Kindergarten-Neubau „unter Ignoranz der vorhandenen Immobiliensubstanz“. Dadurch würden die restlichen Rücklagen aufgebraucht. “Wir befinden uns in einer sehr ersten Finanzlage“, resümierte er und mahnte: Die Diskussion über Gebührenerhöhungen dürften in Zukunft keine Tabuzone mehr darstellen. Für durchaus zumutbar halte er eine rechtzeitige maßvolle Erhöhung. Die Haushaltslage erfordere ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Zwischen „must have“ und „nice to have“ müsse unbedingt getrennt werden. Das Regierungspräsidium sollte endlich mit dem seit Jahrzehnten angedachten Neubau der L 602 von Huttenheim nach Rußheim beginnen, so sein Petitum. Ausdrücklich begrüßten die Ulis die Gründung einer Bürgergenossenschaft in Rheinsheim als „vorbildliche Initiative“. Die Goodyear-Werksschließung bezeichnet Kretschmar als sehr schmerzlich und bezweifelte, ob der Logistikbereich ohne Produktionsstätte eine Überlebenschance habe.

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