47 Grabsteine mit hebräischen Inschriften
Geöffneter Friedhof in Philippsburg zum „Europäischen Tag der Jüdischen Kultur“
Am Waldrand der „Molzau“, zwischen Philippsburg und Huttenheim, 300 Meter von der L 602 entfernt, etwas versteckt und mit Hecken abgeschirmt, weisen 47 auffallende Grabsteine auf einen besonderen Friedhof hin, wie letztlich auch die Inschriften in hebräischer Sprache verraten. Diese Stätte sei für die Juden ebenso bedeutsam wie die Synagoge, betonte Genealoge, Lokalhistoriker und Autor Dieter Haas beim zweimaligen Rundgang durch die seit vielen Jahren erstmals wieder geöffnete Begräbnisstätte. Auch darin zeige sich die Bedeutung, dass - wie beim gestrigen „Europäischen Tag der Jüdischen Kultur“ - die Männer das Begräbnisfeld, ein geschütztes Kulturdenkmal, nicht ohne Kopfbedeckung betreten dürfen.
Jüdische Friedhöfe sind nach jüdischem Recht für die Ewigkeit angelegt. Statt Blumen legen Besucher in der Regel kleine graue Steine auf das Grab. Obwohl schon früh Juden in Philippsburg lebten, bekamen sie erst spät eine eigene Gräberanlage. Aus 1648 existiert der erste gesicherte Nachweis für ein Wohnhaus eines jüdischen Bürgers. 1720 lebten bereits 20 Familien in der Reichsfestung. 1940 deportierten die Nazis 21 Personen nach Gurs: zwischen zehn und 80 Jahren alt. Zehn starben in Konzentrationslagern.
Die Toten der jüdischen Gemeinde mussten bis 1889 auf dem jüdischen Friedhof in Obergrombach beigesetzt werden. Erst dann kam es zu einem eigenen Friedhof. Auf dem knapp zwölf Ar großen Todesacker auf Huttenheimer Gemarkung sind noch 47 Grabsteine vorhanden. Die erste Beisetzung erfolgte 1890. Als Letzter fand Moritz Neuburger, bis 1938 jüdischer Lehrer in Philippsburg, 1945 aus der Emigration zurückgekehrt, dort 1954 seinen Frieden.
Wie Haas informierte, hielten sich jüdische Familien bereits im 14. Jahrhundert in der Region um Philippsburg auf, das damals noch Udenheim hieß. Die hiesige Judenschaft verfügte in der Weiße-Tor-Straße/ Ecke Alte Kirchstraße über einen Betsaal. Mit dem Bau einer Synagoge um 1850 wurde der seitherige Gebetsraum in einem Keller aufgegeben. Während der „Kristallnacht“ 1938 setzten SA-Schergen das Gebetshaus in Brand.
Die Juden im damaligen Hochstift Speyer unterstanden dem Rabbinat Worms. Ihre Verstorbenen mussten sie daher zur Beerdigung in geweihter Erde auf den dortigen Friedhof bringen. 1632 bewilligten die Räte des Fürstbischofs Philipp Christoph von Sötern der Judengemeinde im Bruhrain einen Begräbnisplatz am Eichelberg bei Obergrombach. Unter den 20 jüdischen Kommunen, die ihre Toten dort begruben und sich an der Unterhaltung des Friedhofs beteiligten, befand sich auch Philippsburg mit 13 Mitgliedsfamilien.
Der Weg zum „Verbandsfriedhof“ Obergrombach galt als äußerst beschwerlich, besonders im Winter. Damals betrug die Strecke von Philippsburg ganze vier Stunden. Gegen den anvisierten Standort in der „Molzau“ erhoben die für einen gemeinsamen Friedhof vorgesehenen Nachbargemeinden Graben und Liedolsheim schwere Bedenken, auch Huttenheim lehnte das Vorhaben in schroffer Form ab. Schließlich setzte sich das Bezirksamt durch.
Am 29. April 1889 fand unter großer Beteiligung die Einweihung des neuen Totenackers statt. Am 11. Mai 1890 kam es zur ersten Beisetzung: Moses Löb sollte hier seine Ruhestätte finden. Für Dieter Haas ist der israelitische Friedhof „kein architektonisches Meisterwerk“. Als Eingang dient ein zweiflügeliges Tor aus Eisen mit Maschendrahtfüllung. Die Gräber sind - entsprechend der Gebetsrichtung der Juden - nach Misrach (Osten) ausgerichtet. Die 47 Grabsteine tragen Inschriften hauptsächlich auf Hebräisch. Beerdigt sind auch Juden aus Oberhausen.
Gleich fünf Mal kam es zu Schändungen des jüdischen Friedhofs, so 1917, 1938 durch die Hitlerjugend aus Bruchsal, 1953, 1973 und schließlich 2002 in Form von Hakenkreuz-Schmierereien.
Zeitgleich mit dem Friedhof öffnete auch das Heimatmuseum Philippsburg seine Pforten und bot für die zahlreichen Besucher gefragte Führungen zu „Spuren jüdischen Lebens in Philippsburg“ an.
Schmidhuber