50.000 Protest-Postkarten an den Goodyear-Geschäftsführer

Solidaritätskreis beklagt „keinerlei Bewegung auf der Arbeitgeberseite“

Der Briefkasten des Goodyear-Geschäftsführers Jürgen Titz in Hanau dürfte demnächst überquellen. Mit Hilfe von 50.000 Protest-Postkarten aus allen Teilen des Landes soll an das „soziale Gewissen“ des Deutschland-Chef appelliert werden. In den gleichlautenden Bekundungen heißt es: „Sie wollen das wirtschaftlich gut arbeitende Goodyear-Werk in Philippsburg schließen. Sie entlassen damit 900 Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit und viele Familien in eine ungewisse Zukunft. Dagegen protestiere ich und fordere Sie auf: Werden Sie sich Ihrer sozialen Verantwortung bewusst und nehmen Sie diese auch wahr.“

Enthalten ist am Schluss ein deutlicher Fingerzeig: „Ich jedenfalls werde im Rahmen meiner eigenen Verantwortung kritisch prüfen, ob ich mich noch für den Kauf von Produkten Ihres Unternehmens entscheiden oder es anderen empfehlen kann.“ Die Karten mit der Aufschrift „NO GO-odyear – An die Wand gefahren“ sollen über die Amtsblätter und die Rathäuser der Region breit gestreut werden.

Bei einer Pressekonferenz im Philippsburger Pfarrhaus kündigte Pfarrherr Andreas Riehm-Strammer als Kopf des „Solidaritätskreises Goodyear“ weitere Protestaktionen an, „um doch noch die geplante Schließung des Reifenwerks abzuwenden.“ Zu der solidarischen Runde gehören Vertreter der evangelischen und katholischen Kirchen und der Moscheegemeinde, Mitglieder des Betriebsrats und der Gewerkschaft IG BCE, Kommunalpolitiker aller Couleurs und betroffene Familien.

Mit der Schließung des Reifenwerkes werde ein wirtschaftlich solider Betrieb rigoros an die Wand gefahren, so die einhellige Meinung. Die Postkarten-Aktion diene dazu, den Konzern aufzurufen, „endlich ein Konzept zum Erhalt des Reifenwerkes“ vorzulegen.  Laut Gewerkschaftssekretär Karsten Rehbein ist keine Zeitschiene in Sicht, alles liege im Ungewissen. Auf der Arbeitgeberseite gebe es „keinerlei Bewegung“. Zudem rücke Goodyear keine Daten für den möglichen Nachweis heraus, dass das „profitable Unternehmen“ bequem weitergeführt werden könne.

Monika Wagner, Ehefrau eines betroffenen Goodyear-Mitarbeiters, schilderte die Zukunftsangst ihrer Familie. „Für viele von uns ist es ein finanzieller Super-GAU“. Die Stadt werde die Werksschließung mit aller Macht zu spüren bekommen, befürchtet Bürgermeister Stefan Martus und nannte einen Aspekt von vielen: Pro Jahr sind seitens der Goodyear 110 Millionen Euro Lohn- und Sachkosten am Standort geblieben. Parallel zur Schließung berichtet aktuell das „Nachrichtenportal Reifenpresse“: „Nach den Worten von Chairman Richard J. Kramer kann Goodyear mit 1,3 Milliarden US-Dollar (rund 1,2 Milliarden Euro) einen soliden Nettogewinn für das abgelaufene Geschäftsjahr ausweisen.“

(Schmidhuber)

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