Kein „Good Year“ für Goodyear
Konzern mit Sitz in Ohio zu Entgegenkommen oder Kompromiss nicht bereit
Kein „Good Year“ für Goodyear – und für die Beschäftigten in Philippsburg. „Ganz schlechte Nachrichten“, wie er sagt, hat Bürgermeister Stefan Martus auf sein Schreiben erhalten, das er an obersten Chef der Goodyear in Ohio, den Präsidenten und Chairman Richard J. Kramer, gerichtet hatte. Darin machte das Stadtoberhaupt mehrere Vorschläge zur Aufrechterhaltung des Philippsburger Werks und bat darum, die Schließung des Betriebs und die vorgesehene Entlassung von rund 900 Mitarbeitern in einem persönlichen Gespräch zu erörtern.
„Wir verstehen durchaus die Besorgnis unserer Mitarbeiter und auch die der Stadt Philippsburg, die von der Werksschließung betroffen sind“, heißt es in dem in Englisch gehaltenen und hier in Deutsch wiedergegebenen Antwortschreiben. „Dieser Vorschlag (die Schließung des Werks d.R.) war für uns eine sehr schwierige Angelegenheit. Wie auch immer, der Vorschlag basiert auf einer gründlichen Untersuchung unserer Fertigungsbelange und berücksichtigt die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Strategie unseres Unternehmens sowie die Zukunftsperspektive“, heißt es wörtlich. Es tue ihm außerordentlich leid, der Stadt und dem Bürgermeister mitteilen zu müssen, dass die Konzernleitung nach gründlicher Überlegung keine Alternative zu dieser Vorgehensweise sieht.
Weiter lässt Kramer wissen: Jürgen Titz, Geschäftsführer von Goodyear Dunlop Deutschland, Österreich und der Schweiz habe darum gebeten, dass die entsprechenden Vertreter des Unternehmens und die (Philippsburger) Mitarbeitervertretung den Verhandlungsprozess aufnehmen, um sicherzustellen, dass alle angemessenen Maßnahmen zu Gunsten der Belegschaft Berücksichtigung finden. „Ich habe Herrn Titz gebeten, Kontakt mit Ihnen aufzunehmen und ein Gespräch zu vereinbaren, um alle Fragen, die Sie zu diesem Thema haben, persönlich zu besprechen.“ So lautet die kurze Antwort auf das vierseitige Schreiben aus dem Rathaus Philippsburg. Damit sei offenkundig, bedauert Martus, dass die Goodyear-Führung zu einem Entgegenkommen oder einem Kompromiss nicht bereit ist.
Es gehe doch auch um das Renommee des Weltkonzerns im Automobilland Baden-Württemberg, hatte Martus geschrieben. In dem Brief listet er zudem zehn Fragen auf, etwa „Bekämpft die Werkschließung in Philippsburg tatsächlich die Ursachen des Absatzrückgangs?“. Seine Argumente schließt er mit der Fragestellung: „Wäre es nicht sinnvoller, die ganze Energie, die jetzt in die Schließung gesteckt wird, in die Bereiche Marketing, Vertrieb und Service zu investieren?“
Schließlich lockt Martus mit einem ungewöhnlichen Angebot: Der Verleger Hubert Burda, dessen verstorbener Vater aus Philippsburg stammte und Ehrenbürger war, habe ihm zugesichert, dass das Verlagshaus gerne bereit ist, eine Goodyear-Medienoffensive zur Rückeroberung von Marktanteilen auf dem Reifenmarkt zu ermöglichen. „Geben Sie den Mitarbeitern vor Ort eine Chance, lautete der Appell.“ Und: “Die ganze Struktur einer Kleinstadt gerate durch die Entscheidung ins Wanken.“
(Schmidhuber)