Knapp 3.000 Milliarden Mark in Philippsburg im Umlauf
Die Stadt half sich 1923 mit eigenen, selbst gedruckten Notgeldscheinen
Philippsburg wäre die reichste Stadt Europas, wenn die vor einigen Jahren unter dem Rathausboden entdeckten Geldscheine noch ihren Wert hätten. Was könnte die Stadt mit den knapp 2.800 Milliarden Mark alles anfangen! Doch 2018 sind andere Zeiten als 1923 - die Zeit der deutschen Inflation von 1914 bis November 1923.
In die Geschichte ist der Abschnitt als eine der radikalsten Geldentwertungen eingegangen. Vor allem in Kriegszeiten und in Zeiten hoher Inflation, wenn Münzen aus Metall aufgrund ihrer Weiterverwendungsmöglichkeit eingezogen wurden, entstand ein Bedarf an Ersatzzahlungsmitteln. So druckten die Städte und Gemeinden in ihrer Not eigenes Ersatzgeld auf Papier, sogenannte Notgeldscheine.
Zu den großen Gelddruckern gehörte auch die Stadt Philippsburg, die im Oktober 1923 ihr städtisches „Notgeldprogramm“ startete, so die Recherchen des engagierten Orts- und Heimatkundlers Geza Milvich. Mit Datum vom 27. Oktober 1923 kamen die „Geldnoten“, so die Bezeichnung, mit schwindelerregenden Nennwerten von 5 bis 500 Milliarden Mark pro Geldschein frisch aus der Druckmaschine.
Auf der Rückseite der Scheine befindet sich die Wiedergabe eines Kupferstiches von der Belagerung der alten Reichsfestung Philippsburg um 1676 und ein Sinnspruch, der heute noch Gültigkeit hat: „Concordia res parcae crescunt discordia maximae dilabuntia“. Auf der gegenüberliegenden Seite steht die Übersetzung: „Durch Einigkeit wachsen kleine Dinge. Durch Zwietracht zerfallen die größten!“ Unterhalb der allegorischen Darstellung mit einem Löwen, der Pfeile in der Pfote hält, steht: „Philippsburg im Jahre 1676“.
Die Scheine weisen eine laufende Nummerierung und das Siegel der Stadt auf, zudem das Ausgabedatum, die Unterschrift für den Gemeinderat mit dem Namen “Walter“, das Auszahlungsversprechen und die Versicherung, dass die „Stadtgemeinde“ Philippsburg mit dem gesamten Vermögen haftet. Hergestellt waren die Scheinchen in der ehemaligen einheimischen Buchdruckerei Karl Löb, direkt am Marktplatz.
Das Motiv auf den Scheinen spiegelt die damalige Zeit und das vorherrschende patriotische Denken wieder. So wählten die Verantwortlichen für die Rückseite der Scheine ein Motiv von der Belagerung und Einnahme der französisch besetzten Festung Philippsburg durch die kaiserlichen Truppen, so dass der glorreiche Sieg über die Fremdherrschaft und den „Erzfeind“ für alle Bürger gegenwärtig und geradezu greifbar war.
Vor mehr als zehn Jahren wurde beim Rathausumbau die Vergangenheit wieder lebendig. 2007 kam ein Bündel von 43 Geldscheinen zum Vorschein: im Wert von sage und schreibe 2.795 Milliarden Mark (2.795.000.000.000). In einem Vermerk hieß es dazu: „Zur Überraschung der Bauarbeiter wurde beim Freilegen von Fußbodenbrettern im Altbau des Rathauses ein Bündel mit Notgeld aus dem Inflationsjahr 1923 gefunden. Offensichtlich hatte man zu jener Zeit die gebrauchten Scheine zum Bodenausgleich unter die Bohlen gelegt. Mit den vielen Milliarden konnte man nicht mehr weit kommen, dachte man sich damals und hatte sie als Auffütterung der Fußbodenbretter verwendet.“
Bei der Währungsreform kam es ab dem 15. November 1923 zur Umstellung. Für eine Billion Papiermark gab es dann eine Rentenmark.
Schmidhuber