Rheinsheim lässt uraltes Brauchtum wiederaufleben

Bürgermeister Martus gab am Sonntag Laetare 100 Liter Wein an die Einwohner aus

Einen jahrhundertealten ortsspezifischen Brauch lässt Rheinsheim wiederaufleben: der Ausschank von Wein an die Bürger des Ortes am Fastensonntag Laetare. Vor 200 Jahren ist durch Einträge in die damaligen Rechnungsbücher belegt, dass um 1817 – aber auch schon viele Jahre früher – die Pächter der Rheinsheimer Fischgewässer zur üblichen Pacht noch drei Ohm Wein, 450 Liter nach heutiger Umrechnung, an die 109 Einwohner mit Bürgerrecht zahlen mussten: zum Ausgleich der für die Teiche entstandenen Gemeindekosten. Diese „bewährte Handhabung“ griff Bürgermeister Stefan Martus auf und ließ, wie zu den guten alten Zeiten, immerhin 100 Liter Wein verteilen.

In der römisch-katholischen Kirche wird der Sonntag mit dem lateinischen Namen „Laetare“ zuweilen „Rosensonntag“ genannt. An diesem Tag war es üblich, den Sommertagszug zu veranstalten: ein Brauchtumsfest im nordbadischen Raum, das auch bis 2016 in Rheinsheim bestand. Hintergrund: An Laetare dürfen die Gläubigen die 40-tägige Fastenzeit kurz unterbrechen, da die Mitte des Fastens („Mittfasten“) überschritten wird. Dann kommt der fröhliche und tröstliche Charakter, das „Freue dich“, wie Laetare übersetzt heißt.

„Wir beginnen jetzt eine neue Laetare-Ära“, kündigte Ulrike Wittmann vom Heimat- und Kulturgeschichtlichen Arbeitskreis Reginesheim an. Erläuterungen, wie es zu dem uralten Brauchtum der Fischereiabgabe in Naturalien kam, gab Heimathistoriker Karl-Peter Schwall. In einem Einakter stellten vier Schauspieler die damalige Situation nach: Der Bürgermeister setzt sich mit dem aufmüpfigen Fischer und – wie in den Akten steht – „Konsorten“ auseinander.

Um 1817 war der Rhein noch nicht begradigt, informierte Schwall. So gab es in Rheinsheim seinerzeit zehn Fischgewässer. Zu den jährlichen Abgaben der Pächter gehörten – neben der Zahlung von Gulden - auch eine Pro-Kopf-Menge von, wie es hieß, „überreinem Wein“. Jedem Bürger standen diese vier Liter zu, die an Laetare ausgegeben wurden. Doch bei der Neuverpachtung 1817 wehrte sich Johann Rau über die ungerechte „Weinregelung“ und verursachte eine Auseinandersetzung mit dem damaligen „Ortsvorstand“ und dem Bezirksamt Philippsburg.

Schmunzeln unter den Zuhörern verursachte der Hinweis des Bezirksamtes: Der Trunk sei „eine althergebrachte Belohnung, die so belassen werden könne, besonders weil hierdurch nicht nur der Mann allein, sondern dessen Familie einen frohen Tag bekommt.“ Damit ist gemeint: Frau und Kinder konnten den Sonntag so richtig genießen, weil der Vater betrunken im Bett lag.

Karl-Peter Schwall und Ortsvorsteherin Jasmine Kirschner zeigten auf, dass der Brauch „eigentlich nie eingestellt“ worden sei. Damit überzeugten sie den Bürgermeister, der die bürgerfreundliche Weinabgabe wiederaufleben ließ und eine Flasche Laetare-Trunk pro Familie genehmigte. Zur erstmaligen Laetare-Feier im Innern und im Hof des neuen Genossenschafts-Bürgerhauses und ehemaligen Gasthauses „Löwen“ dürften schätzungsweise so 400 Besucher gekommen sein. Dem Thema Fischerei entsprechend gab es Oberackerer Forellen und Lachs zur Verköstigung.

(Schmidhuber)

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