„Schalom chaverim“ statt „Juden raus“

„Pilgerweg“ 2019 führte zu fünf Stationen des Erinnerns und des Gedenkens

Auf den 9. November fällt eine Reihe von Ereignissen, die für die deutsche Geschichte als politische Wendepunkte gelten. Als besonders gravierend gelten dabei drei Jahrestage: der Beginn der Novemberpogrome 1938, die Novemberrevolution 1918 mit Ausrufung der deutschen Republik und der Mauerfall 1989.

Direkt berührt war Philippsburg von der Reichskristallnacht 1938, als die Nazis die Synagoge niederbrannten. Nicht einmal ein Jahr später erfolgte die Deportation der letzten in der Stadt lebenden Juden nach Gurs. Zum Gedenken an den „Völkermord“ und das „dunkle Kapitel unserer Stadtgeschichte“, so Bürgermeister Stefan Martus, riefen die evangelische Kirchengemeinde, die katholische Seelsorgeeinheit, die Stadt Philippsburg, der Heimatverein und eine Gruppe von Schülern und Jugendlichen auf.

An dem „Pilgerweg“ mit fünf Stationen beteiligten sich rund 60 Bürger. Pfarrer Andreas Riehm-Strammer und Pastoralreferentin Renate Mayer-Franz wurden begleitet von Schuldekan Walter Vehmann, Vertretern der muslimischen Gemeinde mit Ahmet Bayraktar an der Spitze, Diakon Roland Moch, Gymnasium-Direktor Thorsten Uhde. Auch drei Fahnenträger mit „Pax Christi“ zeigten Flagge.

In der evangelische Christuskirche – die erste Station – wurden Friedenskerzen entzündet und verteilt – und auf der Strecke mitgeführt. „Damit wollen wir die Welt ein bisschen heller machen“, begründete der Pfarrer die Aktion. Der zweite Halt befand sich beim Mahnmal „pax aeterna“ in der Burdaanlage, 1980 von Franz Burda gestiftet. Einen eindringlichen Weckruf hielt der Schüler Matthias Weinmann, der ein „Friedensklima“ forderte und zu einem friedlichen Miteinander aufrief.

Informationen aus der Zeit des Nationalsozialismus lieferten vorgelesene Auszüge aus dem Buch des Philippsburger Juden Manfred Wildmann. Vor dem ehemaligen Bethaus in der Alten ließ Jungmusiker Philip Hutter mit einem Auszug aus „Schindlers Liste“ die Vergangenheit wach werden. Einen Kranz legte der Heimatverein nieder. Es gelte, „die Erinnerung an unsere jüdischen Mitbürger wach zu halten“: Mit diesem Appell wandte sich der Bruchsaler Vehmann an die heutige Generation. Vor dem Denkstein bei der Festhalle, der die Verschleppung der jüdischen Mitbürger ins Gedächtnis ruft, postulierte das Stadtoberhaupt, die vielen Unmenschlichkeiten dürften sich niemals wiederholen. Den würdigen Abschluss mit Gebeten und Fürbitten verlegten die Organisatoren in die katholische Kirche St. Maria.

„Friedensklima“, so lautet das Motto der bundesweiten ökumenischen Friedensdekade 2019: „Zehn Tage, um zu erkennen, was Krieg verursacht und wo wir in den Kirchen, in der Politik und in der Gesellschaft uns zum Frieden hin verändern können“, so der Pfarrer, der nicht nur aufzurütteln versuchte, sondern auch mit seiner Gitarre ein paar wegweisende Songs beisteuerte. „Schalom chaverim“, „der Friede des Herrn geleite euch“, ertönte 2019, nicht „Juden raus“, wie im ganzen Reich 1939.

Schmidhuber

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