„Schließung ist eine riesengroße Sauerei“
Sozialplan vereinbart: Aus für Goodyear in Philippsburg mit 890 Beschäftigten besiegelt
Das Goodyear-Reifenwerk in Philippsburg wird definitiv geschlossen. Das ist das Ergebnis der monatelangen Verhandlungen zwischen Betriebsrat und dem Management des Reifen-Konzerns. Die Arbeitnehmer wurden am Freitag auf einer Betriebsversammlung über das Verhandlungsergebnis informiert.
Knapp 890 Beschäftigte verlieren ihre Arbeitsstelle. Der entsprechende Interessenausgleich und der dazugehörige Sozialplan wurden von den Verhandlungspartnern bereits unterzeichnet. Das teilte die Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE) mit. Damit ist das Ende des Werks zum Jahresende besiegelt.
Vor allem die älteren Beschäftigten der Jahrgänge vor 1960 können mit dem Ergebnis leben. Ihnen winkt eine vorzeitige, bezahlte Freistellung. Weniger gut sieht es für etliche jüngere Kollegen aus. Die Transfer-Gesellschaft ist offenbar auf die Laufzeit von einem Jahr angelegt, allerdings soll die Kündigungsfrist verdoppelt werden.
Wer aber danach keine neue Arbeitsstelle hat, wird arbeitslos. Zum Vergleich: Bei der Schließung von Nokia-Siemens-Networks in Bruchsal war eine Laufzeit von 25 Monaten bis Ende 2015 vereinbart worden. Wann die ersten Kündigungen ausgesprochen werden, war zunächst noch unklar.
Philippsburgs Bürgermeister Stefan Martus nahm an der Betriebsversammlung teil. Er sagte: „Vor dem Hintergrund, dass die Schließung für die Goodyear-Geschäftsführung nicht verhandelbar war, ist das Ergebnis ein Erfolg für die Beschäftigten.“ Gleichwohl bleibe „die Schließung mit fadenscheiniger Begründung eine Ungeheuerlichkeit“, so Martus.
Goodyear ist – noch – der größte Arbeitgeber der Stadt Philippsburg. Auch bei der Gewerkschaft zeigte man sich erschüttert über die nun besiegelte Werksschließung. Bezirksleiter Karsten Rehbein bekräftigte: „Hier soll ein nach wie vor modernes Reifenwerk platt gemacht werden, ohne dass es dafür nachvollziehbare Gründe gibt. Das ist und bleibt eine riesengroße Sauerei.“
Im vergangenen Oktober hatte die Geschäftsführung der Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH die knapp 890 Mitarbeiter am Standort Philippsburg über die Schließungspläne bis zum Jahresende 2017 informiert. Die Entscheidung hatte Jürgen Titz als Vorsitzender der Geschäftsführung unter anderem bei einer öffentlichen Veranstaltung in der Philippsburger Festhalle mit einem geänderten strategischen Fokus von Goodyear begründet.
Trotz der aus Sicht vieler Beobachter unglaubwürdigen Begründung für die Schließungspläne hat sich das Management um Jürgen Titz nun also durchgesetzt.
(Mit freundlicher Genehmigung der BNN)
Stimmen zur Betriebsversammlung
Optimismus und Enttäuschung, Hoffnung und Resignation, das alles herrschte vor. Recht unterschiedliche Bewertungen gaben einige Werksangehörigen vor und nach der Betriebsversammlung ab, als ein Teil der Beschäftigten zusammenstand und aufgewühlt diskutierte. Viele wollten keine Stellung nehmen, wenn, dann nur ohne Namensnennung. „Ich glaube gar nichts mehr, die lügen doch alle“, wiegelte ein junger Mann eine Frage ab.
Teilweise gelobt wurden die ausgehandelten Abfindungen „in erfreulicher Höhe“, die dabei vorgenommene Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit und, wenn auch nicht von allen, die Möglichkeiten der beruflichen Weiterqualifizierung. „Ich hätte mir ein besseres Ergebnis gewünscht“, ließ Yusuf, ein junger türkischstämmiger Mitarbeiter aus Waghäusel, wissen. „Ich stehe mitten im Leben, verliere Job, war gut bezahlt, jetzt Probleme mit Hauskauf. Muss erst woanders was finden.“
So angenehm manche Abfindungen auch sein mögen, den meisten Goodyear-Arbeitern geht es um eine längerfristige Perspektive. „Ich kann sicherlich mit dem Ergebnis leben“, meint ein 58-jährige Wahl-Philippsburger, der im Gegensatz zu seinem jüngeren Kollegen keine kleinen Kinder mehr hat. Unter der äußerst angespannten Belegschaft: Pfarrer Andreas Riehm-Strammer und Bürgermeister Stefan Martus, die ganz kurzfristig an der Betriebsversammlung teilnehmen durften. „Das Werk könnte ohne weiteres erhalten werden. Unmöglich, was sich hier die Verantwortlichen leisten“, betonte ein frustrierter Seelsorger.
(Schmidhuber)