Tagung der Informationskommission: „Dagegen werden wir uns wehren“

Emotionen prägen Atomkommissions-Sitzung/ Viele Philippsburger fühlen sich hintergangen

Hier die Hochglanzfotos der EnBW über den Rückbau des Kernkraftwerks Philippsburg 1 (KKP 1), die teilweise skurril anmuten: Vier Mitarbeiter, die Freude „strahlend“ eine demontierte Leitung in die Kamera halten. Dort zwei Atomkraftwerkgegnerinnen, die einen Karton mit kleinen Abfallbehältern, deren Inhalt symbolisch als radioaktiv gekennzeichnet ist, in die Philippsburger Jugendstilhalle kippen; begleitet von der Bemerkung des Vorsitzenden der Informationskommission zum Kernkraftwerk Philippsburg, Landrat Christoph Schnaudigel, man möge nach der Sitzung den Saal bitte wieder aufräumen.

Keine Frage, die mittlerweile elfte Sitzung der Kommission war geprägt von Emotionen. Bei aller Berechtigung – schließlich hat die Kommission laut Umweltministerium die Aufgabe, „die Bürger aktiv und in institutionalisierter Form über Sicherheitsfragen der kerntechnischen Anlagen am Standort Philippsburg zu informieren“ nehmen die Sitzungen bisweilen eigenartige Formen an.

Fast noch mehr als auf den Betrieb von Kernkraftwerken schießen sich Vertreter von Bürgerinitiativen, von Umweltverbänden und Gruppen, die gegen Atomenergie sind, zunehmend auf den Rückbau der Anlagen ein. Dass obendrein die Vertreter von Aufsichts- und Genehmigungsbehörden mitunter so manchen Querschläger in Ermangelung zielführender Aussagen produzieren, erleichtert die Arbeit in der Kommission auch nicht unbedingt.

Und wenn dann noch, wie jetzt geschehen, ein Staatssekretär absagt, mit der Begründung, wegen der „unsicheren Regierungsbildung“ könne er nicht kommen, fördert das ebenso wenig vertrauensbildende Maßnahmen. Kaum anders lässt sich der Unmut und das „Lachen“ im Zuhörerbereich über die Absage von Jochen Flasbarth vom Bundesumweltministerium interpretieren.

Dabei hätte der Mann einen wichtigen Part gehabt. Er sollte über die Einlagerung radioaktiver Abfälle aus der Wiederaufbereitungsanlage La Hague (es handelt sich um deutsche Brennelemente) berichten. Genau diese „französischen Abfälle“ sorgen in Philippsburg für eine Menge Unmut. Es geht um fünf Behälter, die im Zwischenlager Philippsburg eingelagert werden sollen. 60 Castoren sind dort bereits untergebracht. Platz gebe es für 152 Castoren, erklärte Jörg Michels von der Geschäftsführung der EnBW Kernkraft.

Deutschland müsse vertraglich die Altlasten übernehmen, bemerkte Gerrit Niehaus von der baden-württembergischen Atomaufsicht. Hintergangen fühlen sich viele Philippsburger. Es sei immer die Rede davon gewesen, dass im Zwischenlager nur die abgebrannten Brennelemente von KKP 1 und KKP 2 eingelagert werden dürften, erinnerte Uwe Hormuth von der Bürgerinitiative „Wir sind Heimat“. Und jetzt, weil es Stuttgart so wolle, müsse Philippsburg die Castoren übernehmen – „dagegen werden wir uns wehren“.

Diese Castoren, ergänzte der Philippsburger Bürgermeister Stefan Martus, seien für das Lager in Gorleben vorgesehen gewesen. Und um die Verwirrung noch größer zu machen: Ab dem 1. Januar 2019 übernimmt der Bund die Genehmigung und die Verantwortung für Zwischenlager und ein künftiges Endlager. Ob man die fünf französischen Castoren überhaupt in Philippsburg einlagern darf, muss über ein Genehmigungsverfahren geprüft werden.

Das Verfahren müsse öffentlich sein, forderten Schnaudigel und Hartmut Weinrebe von BUND. Wenn sich die zuständigen Behörden einen „schlanken Fuß“ machen wollten – ein Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung – werde man hier in der Kommission keine „Alibiveranstaltung“ für die Genehmigungsbehörden machen, so Schnaudigel.

(Mit freundlicher Genehmigung der BNN)

 

Unzufriedenheit allenthalben

Nicht nur Bürgermeister Stefan Martus nahm an der Sitzung der Informationskommission teil, auch eine Reihe von Stadträten, die sich mit den mageren Ergebnissen nicht zufrieden zeigten, wohnte der Runde als Zuschauer und Zuhörer teil. Das Stadtoberhaupt machte deutlich, dass er Jochen Flasbarth und Jörg Michels zu der Thematik in den Gemeinderat einladen will. „Ihren Ausführungen sehen wir gespannt entgegen“, meinte der Rathauschef mit erkennbarer Bitternis.

Ärgerlich äußerte er sich zu dem früher einmal gegebenen Versprechen, dass keine fremden Castoren nach Philippsburg kommen werden. „Wir haben auf die damalige feste Zusage vertraut. Jetzt zeigt sich, dass eine Zusicherung nichts mehr gilt.“ Auch Landwirt Hans Coenen als Mitglied der Kommissionsrunde schlug in dieselbe Kerbe: „Uns fehlt jegliches Vertrauen.“

Philippsburg werde sich mit aller Macht gegen die Einlagerung der Castoren aus dem französischen Le Hague wehren, kündigte Martus zur Freude des Publikums an.

Am Rande äußerten sich mehrere Gemeinderäte aus Philippsburg und Oberhausen-Rheinhausen: Es sei beschämend, mit welchen fadenscheinigen Begründungen Staatssekretär Jochen Flasbarth vom Bundesumweltministerium sein Fehlen entschuldigt hat. Wegen der Sondierungsgespräche müsse er, der dort unbedeutende SPD-Mann, in Berlin bleiben.

Weiter hieß es unter den Zuhörern: Beschämend fielen auch die Ausführungen des Vertreters der Atombehörde Baden-Württemberg, Gerrit Niehaus, aus. Er wischte die Sorgen der Bevölkerung mit dem Argument beiseite, dass die Castoren aus Frankreich ja „nur ein geringes Risiko für die Bevölkerung“ bedeuteten.

In der Diskussion wurde klar, dass diese Art von Castoren nicht für die Lagerung in Philippsburg geeignet sind und es im Schadensfall keine Möglichkeiten, Vorrichtungen und Einrichtungen gibt, einen havarierten Castor dieses Typs zu reparieren. In Gorleben stehen die nötigen Sicherungseinrichtungen zur Verfügung, doch sollen sie nach Philippsburg kommen.

(Schmidhuber)

 

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