Watschen für die Verantwortungsträger
Rund 450 Bürger bekundeten Unmut mit Entscheidung zu Elisabethenwört
Wehtuende Watschen gab es zuhauf: für die Verantwortlichen des Umweltministeriums Stuttgart und des Regierungspräsidiums Karlsruhe. Wie der „Watschenmann“ im Wiener Prater bekam vor allem der Grüne Staatssekretär im Umweltministerium, Andre Baumann, die Unmutsbekundungen ab. „Ein Glück, dass der nicht da ist“, meinte ein erboster Rheinsheimer. Mitunter wirkten die grünen Verbündeten vor Ort etwas hilflos, so die Landtagsabgeordnete Andrea Schwarz und BUND-Regionalgeschäftsführer Hartmut Weinrebe, die viel Spott und immer wieder Gelächter zu erdulden hatten - aber trotz allem in der Pfinzhalle Dettenheim ihre einsame Position verteidigten.
Kräftigen Beifall gab es hingegen für die Fürsprecher, darunter MdB Christian Jung, die CDU-Abgeordneten Ulli Hockenberger und Joachim Kößler, die Bürgermeister Ute Göbelbecker (Dettenheim), Stefan Martus (Philippsburg) und Marcus Scheile (Germersheim). Sie griffen die „Stimme des Volkes“ auf, die rund 450 versammelte Bürger aus Philippsburg und Dettenheim unüberhörbar artikulierten.
Mit allem gab es Ärger: Unmut wegen der „undemokratischen Vorgehensweise“, Unzufriedenheit mit der ministeriellen Entscheidung, Besorgnis wegen der problemreichen Zukunft des umstrittenen Rückhalteraums. In der anberaumten Bürgerinformationsveranstaltung klärten Karl-Heinz Schmidt von der Bürgerinitiative „Rußheimer Altrhein“ und Uwe Hormuth von der BI „Wir sind Heimat“ über die aus ihrer Sicht schwerwiegenden und folgenreichen Auswirkungen der vom Regierungspräsidium und Umweltministerium favorisierten „kleinen Dammrückverlegung“ auf – relativ sachlich.
Doch ließen sich immer wieder aufkommende Emotionen nicht unter der Decke halten: Hormuth sah „Missionare aus Stuttgart“ am Werk, die eifernd die Landbevölkerung mit ihrer Irrlehre bekehren wollten. „Für die sind wir die Eingeborenen, die noch mit Perlen spielen. Die Herrschaften kommen und gehen. Wir aber sind da und bleiben, müssen uns mit den von ihnen angerichteten Zuständen abfinden.“
Sowohl er als auch CDU-Kreisrat Hans Gerd Coenen sprach von einem „pseudoromantischem Gedankengut“, „ökologischen Spinnereien“ und dem Versuch, die Geschichte in der „Zeit vor Tulla“ zurückzudrehen. Ex- Stadtrat Heinz Herberger (SPD) hinterfragte die Beweggründe, eine intakte Natur zerstören zu wollen. Die Verantwortlichen abwählen, das empfahl Volksvertreter Jung von der FDP. Für Huttenheims Ortsvorsteher Markus Heil haben die „nicht legitimierten Umweltverbände“ wohl im Land mehr zu sagen als die gewählten Organe.
Bürgerfremd und undemokratisch
Schmidt zerpflückte das Argument, ein Polder beanspruche mehr Fläche als eine Dammrückverlegung. Den 92,5 Hektar stehen 86 Hektar der Dammrückverlegung entgegen. „Die Entscheidung von oben“ sei in höchstem Maße bürgerfremd und undemokratisch, hieß es über die Behördenvertreter, die jetzt mit der Rückhaltevariante „kleine Dammrückverlegung und ungebremste ökologische Flutung“ ins Planfeststellungsverfahren gehen wollen.
Immerhin handelt es sich um 410 Hektar Fläche, nicht um einen kleinen Teich. Die von der Stadt Philippsburg geforderte „Nullvariante“, also den jetzigen Zustand der Insel zu belassen und nur im Katastrophenfall mittels einer Dammbresche zu fluten, sowie - als Alternative dazu - die „kleine gesteuerte Poldervariante“ hat sich das RP als planende Behörde nicht zu eigen gemacht, wurde allgemein bedauert. Bei Hochwasser werden jetzt große Müllmengen und auch Schadstoffe angeschwemmt.
Hart ins Gericht gingen alle Bürgermeister mit den „eigenmächtigen Entscheidern“: 90 Millionen Euro werden gezielt für die Zerstörung einer bislang intakten Natur ausgegeben, ärgerte sich Ute Göbelbecker. Für sie handele es sich um „eine politische Entscheidung, die nicht auf Fakten beruht.“
Eines der schönsten Naturschutzgebiete in der Region soll laut UM „renaturiert“ werden. Mit dieser Kuriosität befasste sich Bürgermeister Martus, der erneut ankündigte, gerichtliche Wege zu gehen. Nach den Worten von Scheile, dessen Stadt über mehrere Grundstücke auf der Insel Elisabethenwört verfügt, besteht Interesse an einer „funktionstüchtigen Lösung.“ Heftig kritisierte das Stadtoberhaupt den Alleingang des Staatssekretärs Andre Baumann.
Hockenberger und Kößler kündigten an, dass sie ein Gespräch mit dem Staatssekretär bereits terminiert haben, um vielleicht doch noch eine Kehrtwende zu erreichen.
Schmidhuber